Stadtrat Josef Ilsanker verlässt DIE LINKE - Ausübung des Mandats weiterhin in Zusammenarbeit mit dem Kreisvorstand
Stadtrat Josef Ilsanker hat seinen Austritt aus der Partei DIE LINKE erklärt. Nach einer Übereinkunft mit dem Kreisvorstand wird er sein Mandat im Stadtrat zukünftig parteilos, aber in Zusammenarbeit mit dem Kreisvorstand, ausüben.
Hierzu erklärt Kreisvorsitzender Dennis Neubert: "Wir bedauern die Entscheidung von Josef Ilsanker, DIE LINKE zu verlassen, sehr. Als Gründungsmitglied der Partei und bereits weit davor hat sich Ilsanker in Passau für linke Politik engagiert. Er hat maßgeblich zum Aufbau des Kreisverbandes Passau als mitgliederstärksten Kreisverband in Niederbayern sowie zum Aufbau unseres Bürgerbüros und zum Erfolg bei der Kommunalwahl in Passau 2020 beigetragen. Für sein langjähriges Engagement für DIE LINKE, sei es als Parteimitglied, Kreisvorsitzender, Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstandes oder Stadtrat verdient Josef Ilsanker großen Dank und höchste Anerkennung. So sehr wir seine Entscheidung bedauern, so sehr können wir sie jedoch auch nachvollziehen ansichts der inhaltlichen Ausrichtung der Partei und vielen desaströsen Wahlergebnissen auf allen Ebenen in den vergangenen Jahren, dem Agieren des Bundesvorstandes bei der Kandidatennominierung zur Europawahl, dem Finanzgebaren des Landesvorstandes hinsichtlich der Honorarverträge für die Spitzenkandidatin und Landessprecherinnens sowie den unsäglichen Äußerungen der bayerischen Landesvorsitzenden mit ihrer pauschalen Diffamierung von Polizeibeamt*innen nach dem tragischen Unglück auf der A94. Nichtsdestrotrotz sind wir als Kreisvorstand mit Josef Ilsanker übereingekommen, dass er sein Mandat im Stadtrat zukünftig parteilos, aber in Zusammenarbeit mit dem Kreisvorstand, ausüben wird. Wir freuen uns, auch weiterhin zusammen mit ihm für eine sozial gerechte Politik in Passau zu streiten!"
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Pressestatement Josef Ilsanker:
Als Gründungsmitglied der Partei DIE LINKE und jemand, der sozialen Ausgleich und Wohlstand als Grundpfeiler einer freien und demokratischen Gesellschaft betrachtet, habe ich in den letzten Monaten zunehmend mit der inhaltlichen Schwerpunktsetzung und der fehlenden Weiterentwicklung sozialpolitischer Konzepte und Ideen innerhalb der Partei gehadert. Eine Folge dieser inhaltlichen Schwerpunktsetzung ist für mich, dass wir bei der letzten Europa- und Bundestagswahl eine Vielzahl unserer potenziellen Wählerinnen und Wähler nicht mehr erreichen konnten, ebenso wie bei vielen Landtagswahlen, zuletzt auch in Bayern und Hessen. Das passiert gerade in einer Zeit, in der die Löhne durch die Inflation aufgezehrt werden und viele Menschen sich in ihrer finanziellen Existenz bedroht fühlen. Zeitgleich verunsichert die Bundesregierung durch Gesetze wie das Heizungsgesetz die Menschen und blockiert durch das Festhalten an der schwarzen Null notwendige Investitionen in die Infrastruktur und Transformation. Zu alldem setzt sie den Rotstift im sozialen Bereich an, zum Beispiel bei der Weiterbildung von Arbeitslosen und in der Kinder- und Jugendarbeit. Genau jetzt sehen sich viele Menschen von der LINKEN nicht mehr vertreten, obwohl diese als Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten gegründet wurde. Eine fatale Entwicklung, die dazu führt, dass Menschen nicht mehr zur Wahl gehen oder sich aus Frustration und Protest rechten Parteien zuwenden, obwohl diese tagtäglich in den Parlamenten zeigen, dass sie eben keine soziale Politik machen wollen, da sie die Wut, die aus sozialer Ungerechtigkeit und Abstiegsängsten entsteht, für ihre Zwecke missbrauchen wollen und dabei längst den Boden der Demokratie verlassen haben. Trotz dieser Entwicklung blieben nach jeder eingefahrenen Wahlniederlage in der Partei selbstkritische Wahlanalysen und damit auch die nötigen Kurskorrekturen aus.
Zu dieser unbefriedigenden Situation kamen organisatorische Vorgehensweisen dazu, die meine Überzeugung an der ursprünglichen pluralistischen Ausrichtung der Partei schwinden ließen. Die Art und Weise, wie der Bundesvorstand die aussichtsreichsten Listenplätze zur Europawahl vergab oder der satzungswidrige Umgang des bayerischen Landesvorstandes mit Mitgliedsbeiträgen, seien hier als letzte exemplarisch erwähnt. Als letzter Tropfen kamen die Aussagen der bayerischen Landesvorsitzenden hinzu, die ohne Kenntnis der Faktenlage Polizist:innen eine rechtsmotivierte "Hetzjagd" unterstellte, um aus einem schrecklichen Unfall mit mehreren Toten politisches Kapital zu schlagen. Trotz zahlreicher Kritik und Kritiker und dem desaströsen Abschneiden bei der Landtagswahl gab es erneut keine selbstkritische Reflexion oder ein Ziehen von Konsequenzen.
Alles in allem bringen mich die angeführten Punkte zu dem Entschluss, dass ich inhaltlich und organisatorisch keine Möglichkeit mehr sehe, DIE LINKE für mich so attraktiv zu gestalten, dass dies eine weitere Mitgliedschaft rechtfertigen würde. Deshalb habe ich am 19. Oktober gegenüber der Partei DIE LINKE meinen Austritt erklärt.
Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, da ich auch viele positive Erfahrungen gemacht habe, gute und interessante Menschen kennenlernen und mit ihnen zusammen für gemeinsame Ziele kämpfen durfte. Mein Austritt erfolgt nicht aus Groll; dieser ist abgeklungen. Mein Austritt erfolgt, da ich meine politische Agenda nicht mehr ausreichend vertreten kann, da der politische Weg der Partei mittlerweile ein anderer als meiner ist. Auch wenn wir andere Wege gehen, ist es mir wichtig zu betonen, dass ich in der Partei DIE LINKE jetzt und zukünftig keinen politischen Gegner sehe.
Dies habe ich auch dem Passauer Kreisvorstand mitgeteilt, da es vor allem die Weggefährten vor Ort waren, die mich von einem früheren Austritt abhielten, und ich mich ihnen auch weiter verbunden fühle. Der Kreisvorstand hat Verständnis für meinen Entschluss gezeigt, und so sind wir übereingekommen, dass ich mein Mandat im Stadtrat zukünftig parteilos, aber in Zusammenarbeit mit ihm, ausüben soll.
Gerade in dieser Zeit stellen sich einige vielleicht die Frage, ob ich in Zukunft das Bündnis Sahra Wagenknecht unterstütze. Ich halte die Gründung einer neuen linken Partei für dringend angezeigt, um auch die AfD zurückzudrängen – nicht durch Kulturkämpfe, sondern durch klare politische Inhalte.
Deshalb halte ich eine neue Partei für erforderlich, die den Beschäftigten, die sich aufgrund der anhaltenden Umverteilung nach oben immer weniger leisten können, sowie den Menschen, die sich mit sozialen Abstiegsängsten z.B. durch die notwendige Transformation bedroht fühlen, eine Stimme und eine neue politische Heimat bietet. Wie gesagt, halte ich dies für unerlässlich, um der zunehmenden Demokratieverdrossenheit entgegenzutreten. Wenn dies die neue Partei mit ihrem Personal und Programm seriös umsetzt, werde ich sie auch aktiv unterstützen und mitarbeiten. Deshalb stehe ich der angestrebten Parteigründung aktuell auch offen gegenüber.